„Berlin meets the World“ – Appmusik mit Kindern in einer Neuköllner Geflüchteten-Unterkunft
Das Projekt “Berlin meets the world” richtet sich direkt an Kinder, die in der Geflüchteten-Unterkunft Haarlemer Strasse in Berlin Neukölln leben. Der niedrigschwellige, achttägige Workshop fand als Kooperation von app2music mit der VHS Neukölln statt und bot den Teilnehmer*innen eine musikalische Entdeckungsreise in einem Setting, in dem sie spielerisch experimentierend individuellen Interessen und Präferenzen nachgehen konnten und nebenbei einiges über Improvisation, Rhythmus und die Produktion Elektronischer Musik erfuhren. Der Workshop sollte den Kindern einen Rahmen bieten, möglichst frei und interdisziplinär mit Musik, Schauspiel, Bewegung und bildnerischen Mitteln zu experimentieren, um letztendlich aus all dem etwas eigenes zu gestalten.
von Carlos Ortiz und Deniz Dilek
Tablets und die Auswahl der Musik-Apps
Die Arbeit mit Tablets und Musikapps eignet sich ideal für Workshop-Gruppen, da diese die Möglichkeit bieten unter anderem die Teilnehmer*innen in kleinere Teams aufzuteilen und mit Kopfhörern frei arbeiten zu lassen. Alle von uns ausgewählten Musikapps sollen den Workshop-Teilnehmer*innen praktisch ohne musikalische Vorbedingungen verschiedene Aspekte des Elektronischen Musizierens näherbringen:
- mithilfe der App “Koala Sampler” erkunden die jungen Musiker*innen das Erstellen von Beats aus eigens aufgenommenen Tönen und Geräuschen.
- mit der App “Launchpad” werden sie kurzerhand zu remixenden DJs
- und mit “Thumbjam” spielen sie gemeinsam als ein improvisierendes iPad-Ensemble in der großen Gruppe zusammen.
Damit bietet jede App sowohl musikalisch (Klang und Struktur) als auch in Aspekten der Interaktion (Zusammenspiel, Diskussionen) sowie in Puncto Spieltechniken Einblicke in verschiedene (elektroakustische) Musizierweisen.
Multikulturelle Musik
Jeder Mensch bringt eine eigene musikalische Perspektive mit – geprägt von kultureller Herkunft, Erfahrungen, Traditionen, aber auch ganz persönlichen Vorlieben. Die individuellen Hörgewohnheiten der Kinder, einschließlich ihrer Lieblingsmusik, wurden mittels Spotify in den Workshop ebenso wie Tanz- und Sprachspiele mit einbezogen. Dies trug nicht nur zur Vielfalt der Klänge bei, sondern ermöglichte es den jungen Musikerinnen und Musikern auch, einen Teil ihrer eigenen Geschichte in den Workshop einfließen zu lassen.
Spiele, Tanz und Live-Musik
Die Kinder bekamen immer wieder Zeit zum Einstudieren sowie Präsentieren ihrer Tracks und Remixe in Form von kleinen Live-Spielen und Präsentationen vorzustellen. Als besonders beliebt erwiesen sich dabei kurze musikalische Battles (ausgetragen mit der App “Playground”) , in den zwei Teams jeweils einen Spieler in ein Duell schicken und ihren jeweiligen Team-Member dabei lautstark unterstützen. Ein weiteres Musik-Spiel war der “DJ-Stopp-Tanz”, bei dem ein DJ live Elektronische Tanzmusik mit der App “Launchpad” remixt und sobald er/sie mithilfe des sogenannten Tapestop-Effektes die Musik plötzlich zum Pausieren bringt, alle im Raum tanzenden Kinder in einer Freeze-Haltung ausharren müssen -bis das Stück vom Dj erneut gestartet wird. Diese methodisch abwechslungsreichen Aktivitäten erwiesen sich als ein großer Motivations- und Spaßfaktor.
Ein kurzer Zusammenschnitt aus der Projektarbeit.
Ein Finale mit „Peter und der Wolf“
Für den Abschluss des Projekts entschieden wir uns dafür, eine Kurz-Version des Musiktheaterstücks „Peter und der Wolf“ zu inszenieren. Dazu gestalteten sie eigene Tier-Masken sowie einige einfache Bühnenelemente mit Pappe und Malstiften. Für die Aufführung wurde die Musik live von einigen Kindern gespielt -aufbauend auf den vorherigen Ensemble-Übungen mit der App Thumbjam. Dabei wiesen die Kinder allen Rollen von Peter und der Wolf eigene Sounds bzw. musikalische Themen zu, während der Rest mit den zuvor gebastelten Tiermasken die Charaktere der Geschichte tanzend zum Leben erweckte.
Beobachtungen
Die Kids zeigten trotz großer verbaler Kommunikationshürden während des gesamten Workshops zumeist viel Freude, Offenheit und Begeisterung für die Themen und Inhalte des Workshops. Das Projekt bot denjenigen, die sonst kaum von musikalischen Bildungsangeboten erreicht werden, die Möglichkeit, kulturelle Bildung aktiv zu erleben, indem sie verschiedene künstlerische Mittel und Ideen erkundeten und zum Schluss als Gruppe ein Mini-Theaterstück mit eigener Musik improvisierten.
Aufgrund der sich jeden Tag ändernden Zusammensetzung der teilnehmenden Kinder mussten wir immer wieder Anpassungen an den geplanten Inhalten und didaktischen Methoden vornehmen. Darüber hinaus bemerkten wir im Laufe der acht Workshop-Tage, dass bestimmte Apps und Ideen auch aufgrund der massiven Sprachbarrieren und Lesekompetenzen nicht so gut funktionierten (z. B. GarageBand). Außerdem waren die Aufmerksamkeitsspannen einiger Kinder sehr unterschiedlich. Aufgrund all dieser Herausforderungen erfordert ein intensiver Musik-Workshop unter diesen Voraussetzungen flexible und vor allem spontane Anpassungen, um sowohl den Bedürfnissen als auch den Fähigkeiten der Kinder gerecht werden zu können.
Am letzten Tag wurden wir wiederholt danach gefragt, warum der Workshop in der folgende Woche nicht einfach weitergehen könne. „Berlin meets the World“ hat gezeigt, dass Musik und Kunst für die Kinder der Geflüchteten-Unterkunft Haarlemer Straße eine bedeutende und notwendige Bildungs- und Freizeitaktivität darstellen.

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