Projektideen mit Musikapps: Alltagsklänge neu entdecken

Matthias Krebs | 27. Februar 2020

Alltagsgegenstände zum Klingen anregen, Geräusche aus der Umgebung entdecken, sie aufnehmen und mit ihnen Musik erfinden – dafür gibt es mittlerweile schon eine Reihe schöner Beispiele aus Projekten, die digitale Technologien in die Produktion integrieren. In diesem Blog-Beitrag möchte ich euch eine kleine Auswahl an Videos vorstellen, die ich als Anregungen für die Konzeption von Workshops in kulturpädagogischen Kontexten zusammengestellt habe.

Das Prinzip ist einfach: Die Teilnehmenden nehmen mit einer App in ihrer Umgebung Klänge auf und mit diesen Klängen wird dann z.B. ein Video vertont oder ein Beat komponiert. In so einem Projekt können die musikalische Hörwahrnehmung geschult und Alltagsklänge künstlerisch verfremdet werden. Darüber hinaus können Aufgaben gestellt werden, um aus den Geräuschen musikalische Strukturen zu entwickeln oder mit ihnen im Ensemble zu improvisieren.

Im Folgenden findet ihr eine knapp kommentierte Auswahl an Videos sowie Links zu Quellen und Material. Anschließend äußere ich noch ein paar Gedanken zur Durchführung von Klangforschungs- und Kompositionsprojekten und habe euch eine Liste an passenden Musikapps zusammengestellt.

Apps mit ganz eigenen inspirierenden Ansätzen zum Musizieren und Tüffteln. Mehr dazu weiter unten.

#klangberlins – die Hommage an Berlin vom Konzerthausorchester Berlin

  • Eine herausfordernde Aufgabe: „Die Geräusche und Klänge Berlins sind einzigartig und unnachahmlich! Wirklich?“ Diese Challenge lässt sich wohl auch auf andere Orte übertragen und auch Alltagsgegenstände, Musikapps oder etwa selbstgebaute Instrumente können verwendet werden.
    • Wie klingt zum Beispiel der Dresdner Weihnachtsmarkt? Wie klingt der Sportplatz?
    • Die Workshopteilnehmenden nehmen in einem ersten Schritt ein Video auf (siehe Methode Kameraerkundungen). Im Fokus der Aufnahmen steht, wie und wo interessante Geräusche entstehen. Dann wird ausprobiert, wie man die Geräusche mit anderen Instrumenten, Gegenständen oder vielleicht Apps nachempfinden kann.
  • Mehr zum Video: https://www.konzerthaus.de/de/klangberlins

 

#Klänge-Orchester

  • Einen Mitschnitt von einem Konzert oder einer Musikperformance einfach mal mit anderen Klängen neu zu vertonen klingt nicht nur lustig, sondern bietet sicher viele Anlässe, über Konzerte und Instrumente zu diskutieren. Ich fand die Idee sehr anregend. Sie lässt sich auch mit freien Videos oder mit selbstgedrehten Clips realisieren.
    • Neben Aufnahmen von Orchesteraufführungen lohnen sich auch Live-Mitschnitte von Popkonzerten zum Nachvertonen.
    • Oder: Schonmal ein Kochvideo vertont? –> Reispfanne mit Hack (YouTube-Link)
  • (Auf dieses Video bin ich zufällig gestoßen – leider ohne Bezug zu Kontext und Urheber.)

 

#This is My Space

  • Das Video wurde von der Musikschullehrkraft Philipp Broda produziert. Besonders interessant finde ich die klangliche Inszenierung von Räumlichkeit (Bahnhof und Bahn) sowie die Erweiterung um eine improvisierte Melodie auf dem arrangierten Klangteppich.
  • Im Vordergrund dieses Projektes steht, dass authentische Bilder und Geräusche verwendet werden, also hier die Verfremdung weniger einer Rolle spielt als vielmehr eine Fokussierung auf subjektiv Bedeutsames. Es wird eine Auswahl getroffen. Eine zusätzliche eigene Melodie oder ein Rhythmus können eine weitere persönliche Bezugnahme sein.
  • Vielleicht könnte das Motto auch sein „This is my space“ (oder place) – das halte ich für noch identitätsstiftender, da bei den Teilnehmenden über die Klangsuche eine Identifikation mit den Räumen, in denen sie sich bewegen, möglich wird.
  • Mehr zum Video: https://hearthis.at/youarehere/

 

#KlangGestalten

  • Das Video gibt einen Einblick in den Aspekt des Klängesammelns bei einer Erprobung des Konzeptes.
  • Ein zentrales Element war der gruppenbasierte Kompositionsprozess, der im Video kaum dargestellt ist. Hierbei konnten Bildmotive eine gute Stütze bieten, um gemeinsam wiederholbare musikalische Abläufe auszuhandeln.
  • Mehr zum Projekt und ein Link zum Download des Leitfadens: http://app2music.de/klanggestalten/

 

#School of Sound ’n‘ Rhythm

  • Dieses Video zeigt eine erste Erprobung eines Klangforschungsprojektes durch Studierende in einem Proseminar an der UdK Berlin. Darin werden besonders methodische Aspekte in der Durchführung eines Klangforschungs- und Kompositionsprojektes deutlich. Zum Beispiel:
    • Formulierung der Aufgabe
    • Eingehen auf Fragen
    • Möglichkeit zum Ausprobieren, wie mit einem fertigen Soundboard gespielt werden kann und Erläuterungen der grundlegenden Spielmodi
    • Sammlung der Klänge
    • zurückhaltende Unterstützung bei der Gruppenarbeit…
  • Das Konzept vermittelt Aufgabenstellungen und pädagogische Zielstellungen: Link zum Konzept

 

Kennst du noch weitere inspirierende Videos zum Thema „mit Alltagsklängen Musik gestalten“? Hast du Hinweise aus eigener Erfahrung mit solchen Projekten? Teile gern Videos und dein Wissen mit uns im Kommentarbereich unter diesem Beitrag.

 

// Praxis: Klangaufnahmen, Vertonungen oder Beats

Ich als Musikpädagoge finde bei solchen Projekten drei methodische Aspekte besonders wichtig:

Ziel: Gehörschulung. Die am Workshop Teilnehmenden sollten eine möglichst spannende Aufgabe zum klanglichen Experimentieren mit Gegenständen und den „besonderen“ Orten, an den Gegenstände zum Klingen gebracht werden (Klangräume), bekommen. Dabei kann der Fokus auf besonders gut klingende Klänge gelegt werden, wodurch vielleicht nicht jeder erste Klangerzeugungsversuch und die Quantität sondern eher die Qualität der Klangerzeugung in den Mittelpunkt treten kann, die sich erst im Zuge einer „Klangforschung“ am Gegenstand einstellt. Es gilt, die Gegenstände klanglich in Hinblick auf unterschiedliche Spielarten zu untersuchen, d.h. verschiedene Möglichkeiten zu probieren, bevor man dann die perfekte Aufnahme macht. Auch die Aufnahme gilt es zu überprüfen, ob der Klang auch wie beabsichtigt eingefangen wurde oder vielleicht das Mikrophon anders gehalten werden muss. Woran ist zu erkennen, dass es sich um einen „besonderen“ Klang, einen „gelungenen“ Klangerzeugungsversuch und eine „wirkungsvolle“ Aufnahme handelt? Diese Fragen können bei einer Zwischenpräsentation diskutiert werden.

  • Bei einigen Gruppen habe ich beobachtet, wie sie in kürzester Zeit Aufnahmen von zehn Gegenständen gemacht haben. Andere Gruppen haben sich für einzelne Gegenstände länger Zeit genommen, um einzigartige, besonders vielfältige Klänge aus den Gegenständen herauszukriegen.

Wird das Ziel einer Gehörschulung verfolgt, halte ich es methodisch für sinnvoll, dass die Teilnehmenden Zeit bekommen, erste Aufnahmen zu machen, von denen dann in einer Zwischenpräsentation zunächst einige Ergebnisse (eine Auswahl von 2–3 Aufnahmen) in der Gesamtgruppe besprochen werden und sich gegenseitig Tipps gegeben werden, wie besonders wirkungsvolle Aufnahmen gemacht werden können.

Ziel: gemeinsames Musik-Erfinden. Manche der oben aufgeführten Videobeispiele bestechen durch einen gelungenen Videoschnitt. Für musikalische Projekte finde ich, dass eher das musikalische Interagieren zwischen den Beteiligten im Vordergrund stehen sollte. Beim Videoschnitt, der viel Ruhe und Präzision braucht, wobei Soundfiles gekürzt und in der Timeline angelegt werden müssen, kommt mir das spontane Ausprobieren von Stimmungen eher zu kurz. Nachvertonungen lassen sich in einer Gruppe kaum sinnvoll umsetzen, da immer nur eine/r das Tablet bedienen kann. Daher bieten sich eher Verfahren an, bei denen z.B. zuerst Klänge aufgenommen und bearbeitet werden und im zweiten Schritt dann live zu einem Stummfilm als Band musiziert wird (1–2 Minuten), wobei verschiedene Varianten auf ihre Wirkung hin überprüft werden, bis die Gruppe zufrieden ist.

  • In einigen Projekten wurden die Smartphones der Kinder dazu verwendet, eine Videoszene abspielen zu können. Auf dem Projekt-Tablet wurden mit den zuvor gesammelten Sounds gemeinsam in der Gruppe die Klänge zum „Stimmfilm“ improvisiert. Beim anfänglichen Improvisieren ergeben sich immer neue Ideen, die gegeneinander abgewogen werden, bis sich eine gemeinsame Interpretation heraus kristallisiert. Im Zuge der Konkretisierung der musikalisch-klanglichen Idee werden auch die Klänge immer weiter angepasst. Schließlich hilft das Video dabei einen Ablauf für eine Aufführung zu entwickeln.

Im Fokus steht, dass die Teilnehmenden in Gruppen verschiedene Gestaltungsoptionen aushandeln, Verantwortung für ihre Rolle übernehmen müssen und einen Weg finden, ihre Idee für eine Präsentation aufzubereiten (z.B. eine graphische Notation).

–> Hierfür eignen sich besonders die Apps „Koala Sampler“, „Sound Weaver“, „Blocs Wave“ und „vidibox“. Die Apps werden weiter unten vorgestellt.

Ziel: Beats entwickeln und performen. Ein deutlich anderer Ansatz wird verfolgt, wenn aus Aufnahmen mittels eines Sequencers ganze Beats komponiert werden können. Bei diesem Verfahren steht weniger der dialogische Aspekt eines gemeinsamen Musizierens im Mittelpunkt als vielmehr eine planerische Tätigkeit. Die Aushandlungen finden dann häufig im Gespräch statt, wobei diskutiert wird, wie der Beat wirkt und ob er zu einer bestimmten Vorstellung passt.

  • Bei einigen Kindern nehme ich wahr, dass sie sich damit wohl fühlen, in Ruhe verschiedene Varianten ausprobieren zu können. Die Verantwortung, in einem Ensemble live zu musizieren, scheint sie zu sehr unter Druck zu setzen.
  • Methodisch scheint die Verwendung von Sequencern für viele Lehrkräfte eine Herausforderung zu sein. So gipfeln die Experimente der Schüler_innen häufig in einem undurchsichtigen Klanggemisch. Um den Beteiligten eine Orientierung zu bieten, lohnt es, prägnante Gestaltungsaufgaben zu geben. Dabei gilt es zu beachten, dass das Prinzip (Lochkartenraster) auch erst als Rhythmus-Raster verstanden werden muss. Dazu kann es auch hilfreich sein, zum Einstieg einen Beat einfach nachzubauen.

Die hier vorgeschlagenen Apps bieten Funktionalitäten, mit denen nicht einfach nur ein Beat abgespielt werden kann, sondern auch verschiedene Beats abgewechselt oder Effekte live hinzugefügt werden können. Damit kann das Projekt schließlich doch wieder in eine vollzugsorientierte Form des Musikmachens münden.

–> Für die Produktion von Beats aus eigenen Klangaufnahmen eignen sich Apps, in denen in einem Raster (Grid) die Klänge zeitlich angeordnet werden können. Dazu gehören „Triggler“, „Yellowfier“, „WerkBench“ und Kombinationen von weiteren Apps, die unten vorgestellt werden.

 

App-Auswahl

Zusammenfassend werden hier für solche Klangforschungs- und Kompositionsprojekte gebräuchliche Musikapps verlinkt. Leider bezieht sich diese Auswahl fast ausschließlich auf Apps für Geräte von Apple. Geeignete Apps für Geräte mit Android-Betriebssystem sind mir leider bis auf eine Ausnahme (siehe weiter unten) nicht bekannt.

Sampler-Apps zum Improvisieren/Gemeinsam Musik-Erfinden

Die App hat sich schnell zu einer der beliebtesten Musikapps in den Workshops von app2music entwickelt. Auf simple Weise lassen sich (1) Klänge aufnehmen und bearbeiten, (2) Beats einspielen und (3) mit Effekten eine Performance live spielen.

Die App Sound Weaver ist gerade erst neu im App-Store erschienen. Damit können Audioaufnahmen in acht verschiedene Slices zerlegt werden. Jedes Slice kann als One-Shot (Drum) oder Loop-Sound mit einem zugewiesenen Farbfeld oder chromatisch mit der Bildschirmtastatur abgespielt werden.

Die App Blocs Wave verfolgt einen anderen Ansatz. Grundlage ist das Prinzip eines Loopers. Doch lassen sich mit der App auch Geräusche sammeln, dann verfremden und schließlich lässt sich aus ihnen eine Performance entwickeln.

Sampler-Apps zum Beats komponieren

Diese App ist schon vor 6 Jahren für das iPhone erschienen. Hier werden ein Sampler und ein Step-Sequencer miteinander kombiniert. Mit der App lassen sich ganz gut Beats komponieren.

Auch bei der App Yellowfier ist eine (längere) Klangaufnahme (oder auch eine Musikaufnahme) der Ausgangspunkt für die Komposition von Beats. Dabei können die Klänge mit verschiedenen Effekten verfremdet und sogar mehrspurige Produktionen entwickelt werden.

Die App WerkBench bietet eine breite Anzahl an Funktionen. Auch mit einer Auswahl davon lassen sich interessante Klangexperimente machen.

Fortgeschrittene können auch mehre Apps miteinander kombinieren. So können mit der App Koala Sampler Klänge aufgenommen und mit der App SNAP Beats entwickelt werden, womit dann aber die Klänge von der Koala-App angesteuert werden… (Den Drum-Sound der App SNAP kann man bei den Einstellungen einfach leise stellen.)

Videoclip-Apps

  • vidibox (leider nur mit iOS 11 verwendbar)

Die App vidibox bietet die Möglichkeit, dass man aus kurzen Videoaufnahmen musikalische Clips improvisieren kann. Damit wurden in der Vergangenheit viele schöne Projekte realisiert. Leider funktioniert die App jedoch auf den aktuellen iPads nicht mehr richtig. :-/

Browseranwendungen zum Klangaufnehmen und Improvisieren

Das Besondere an der Online-Plattform WDR Klangkiste ist, dass sie auf jedem Smartphone oder Tablet läuft – wenn es ausreichend WLAN gibt. Man muss nur auf den Link klicken und für diese Webseite die Berechtigung zur Verwendung von Mikrophon und Kamera geben. Das folgende Video gibt einen knappen Überblick:

 

Kommentare, Hinweise, Fragen?

Welche Erfahrungen habt ihr bei euren Projekten gesammelt? Habt ihr Hinweise, wie man so ein Projekt gut umsetzen kann?

 

ist Appmusiker, Diplom-Musik- und Medienpädagoge und wissenschaftlich tätig.

Er arbeitet und wirkt an der Universität der Künste Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter und ist Leiter der Forschungsstelle Appmusik. Matthias Krebs als Lehrbeauftragter an mehreren Musikhochschulen (Deutschland, Österreich & Schweiz) tätig und bietet regelmäßig Workshops und Fortbildungsveranstaltungen an.

Matthias Krebs ist Co-Projektleiter bei app2music_DE.

Matthias Krebs ist Vereinsvorsitzender des app2music e.V.



Eine Antwort zu “Projektideen mit Musikapps: Alltagsklänge neu entdecken”

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